Der Astronom

Entspannungsgeschichte von Volker Friebel

 

Stell dir vor, du steigst mit Mieze vom Wolkenschloss in ein Traumland hinunter, an langsam treibenden Wolken vorbei, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst.

Die Treppe endet auf einem Berg. Ihr steht vor einem großen Gebäude mit rundem Dach. Ein Mann schließt gerade das Eingangstor auf. Als er euch sieht, winkt er euch zu: „Besucher! Das ist eine Freude, ich bin hier sonst die ganze Nacht allein, kommt mit!“ Er verschwindet im Gebäude.

,Die ganze Nacht‘?, fragst du dich. Tatsächlich, es ist Abend geworden und wird schnell dunkler. Ihr folgt dem Mann.

In einem großen Raum erklärt er euch die Geräte und Bildschirme. „Das ist ein Observatorium, wir schauen in den Weltraum hinaus, suchen nach fernen Planeten.“

Er zeigt euch Bilder von den letzten Planeten, die das Observatorium gefunden hat. Viel zu sehen ist nicht, außer etwa, dass alle Planeten rund sind. Und sehr verschwommen.

„Leben dort auch Menschen?“, fragst du.

„Wohl nicht“, sagt der Astronom. „Und wenn wir je dort hinfliegen sollten, könnten wir auch nicht dort leben. Die Welten sind zu groß, ihre Schwerkraft würde uns erdrücken. Und die Luft lässt sich auch nicht atmen. Und es ist zu kalt oder zu heiß für uns.“

„Aber eine Welt, auf der wir leben können, habt ihr doch sicher gefunden?“, fragst du.

„Bisher noch nicht“, sagt der Mann. „Aber wir suchen.“

„Doch, ihr habt“, schnurrt Mieze. „Diese Welt hier, unsere Erde.“

Der Mann lacht. „Ja“, antwortet er dann.

„Obwohl die Luft schlechter wird und jedes Jahr heißer“, meinst du.

„Ja“, sagt der Astronom. „Das ist ein Problem.“

„Aber wenn wir eine Welt doch schon kennen, könnten wir dann nicht auf der gut leben?“, fragst du, „und dafür sorgen, dass die Luft wieder besser wird?“

„Das sollten wir allerdings“, antwortet der Astronom.

„Um gut zu leben“, fährt er nach einer Pause fort, „brauchen die Menschen einen Traum. Willst du nicht dorthin blicken, wo noch niemand war? Etwas tun, was noch keiner getan hat?“

„Doch, schon“, antwortest du.

„Das ist so ein Traum, an die Grenze der Welt zu gehen und hinüberzusehen“, meint er.

„Zur nächsten Grenze“, schnurrt Mieze.

„Zur nächsten Grenze“, der Astronom nickt. „Das ist so ein Traum, der Menschen lebendiger macht, mutiger, stärker. Es gibt auch andere Träume. Das ist eben der unsere. Wenn du auch nur einen davon hast, geht alles ein bisschen besser. Dann klappt auch alles besser, was du hier auf unserer Erde tust. Wir träumen einen Traum für die Welt.“

Ihr schaut euch die Sterne an. Ihr betrachtet ferne Sterngruppen, die große Leere zwischen den Sternen, die Sternennebel.

Du bist müde geworden im Staunen. „Wir sollten zurück“, sagst du schließlich, und ihr macht euch auf.

Du gehst mit Mieze zur Wolkentreppe zurück. Stufe um Stufe steigt ihr empor. Mit jeder Stufe merkst du, wie du ruhiger wirst.

Im Wolkenschloss legt ihr euch auf das große blaue Sofa und schließt die Augen.

Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen.

Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen.

 

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Das war aus: Volker Friebel (2019): Entspannungsgeschichten vom Wolkenschloss. Edition Blaue Felder, Tübingen.

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