Entspannungsgeschichte von Volker Friebel
Du steigst mit Mieze vom Wolkenschloss in ein Traumland hinunter, an langsam treibenden Wolken vorbei, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst.
Ihr kommt in einen großen Wald. Zwischen hohen Stämmen tretet ihr auf den Boden.
Wie weich die Walderde ist! Du gehst ein paar Schritte. Die harten Bodenplatten im Wolkenschloss sind noch im Gedächtnis deiner Füße. Wie auf Wolken geht es sich hier – hier auf der Erde!
Auch Mieze scheint ganz vergnügt. Sie schnuppert an einem Mäuseloch. Die gibt es im Wolkenschloss nicht.
Du tust einen Atemzug, tief und langsam. Auch die Luft schmeckt hier im Wald besonders gut.
Einfach gehen und atmen, langsam und frei – das tut so gut!
Ob das die Bäume wissen? Sicher nicht, denn sie sind ganz anders als du. Aber sie sehen glücklich aus.
Ob das die Vögel wissen? Sicher nicht, denn ihre Lieder sind ganz anders als deine. Doch die Lieder sind schön und hören sich glücklich an.
Unter einem Baum wachsen Pilze.
Zwei Eichhörnchen jagen an euch vorbei und klettern am Stamm eines Baums hoch, verschwinden. Schauen dich nicht von ganz oben vier neugierige Augen an?
Ein Bächlein plätschert. Du gehst an ihm entlang, entgegen der Strömung. Mieze hat sich von ihrem Mäuseloch losgerissen und folgt dir.
Am Bach wächst Gras, blühen hier und da Blumen. Unter den Bäumen ist der Boden des Waldes viel weniger grün. Es fehlt an Licht, das halten die Blätter der Bäume auf.
Hier und da meinst du einen Schatten im Bach flitzen zu sehen. Ob das Fische sind? Mieze schaut kaum hin. Ob die Fische ihr zu schnell sind oder das Wasser zu nass? Sie schnüffelt an einem großen Tannenzapfen.
Wie der Wald riecht! Wechselnde Düfte, würzig und stark. Eine Taube gurrt. Ruft in der Ferne ein Kuckuck?
Weiter geht ihr, am Bach entlang, entgegen der Strömung.
Endlich stoßt ihr auf die Quelle. Am Hang, zwischen Steinen, strömt das Wasser aus der Erde heraus, strömt aus dem Dunklen ans Licht.
Mieze schnuppert um die Quelle herum.
Du stehst ganz still. Du schließt deine Augen und versuchst, ob du den Klang der Quelle hören kannst.
Da sind Vogelstimmen.
Da ist ein leichter Wind in den Wipfeln.
Da sind Insekten, die an euch vorbei fliegen.
Da ist in den Wipfeln ein Geräusch, feiner, lebendiger noch als der Wind. Ist es das Summen von Bienen?
Da ist dein eigener Atem.
Da sind kleine Geräusche, als würde Mieze an etwas schnuppern.
Und vielleicht, ganz leise, ist da auch ein Geräusch von der Quelle. Ganz leise – und doch stark und lebendig.
Du freust dich. Etwas von der Kraft der Quelle, von ihrer Stärke und Lebendigkeit, spürst du nun auch in dir.
Mieze schaut dich an. Ihr geht den Bachlauf entlang zur Wolkentreppe zurück. Stufe um Stufe steigt ihr empor. Mit jeder Stufe merkst du, wie du ruhiger wirst.
Im Wolkenschloss legt ihr euch auf das große blaue Sofa und schließt die Augen.
Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen.
Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen.
Aus dem Buch: Volker Friebel (2019): Entspannungsgeschichten vom Wolkenschloss. Edition Blaue Felder, Tübingen.
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