Entspannungsgeschichte von Volker Friebel
Du steigst mit Mieze vom Wolkenschloss in ein Traumland hinunter, an langsam treibenden Wolken vorbei, Stufe um Stufe. Stell dir vor, wie du mit jeder Stufe ruhiger und freudiger wirst.
Auf dem Boden angelangt, kommt ihr in einen lichten Wald. Bäume wachsen hoch in den Himmel. Durch ihre Wipfel tanzt Licht.
Unter einem Baum trefft ihr Tim, das Eichhörnchen. Es zuckt aufgeregt hin und her. Jetzt springt es an den Baumstamm – und krallt sich kopfüber fest.
„Ich finde meine Nüsse nicht mehr“, klagt es, als ihr heran seid. „Irgendwo hier habe ich sie versteckt. Ich will doch nur nachschauen!“
„Wenn du sie nicht findest, sind sie weg“, schnurrt Mieze königlich und schnuppert an einem Fliegenpilz.
„Oh je!“, ruft Tim und wackelt mit dem buschigen Schweif. „Wovon soll ich im Winter leben? – Ob es vielleicht am Fliegenpilz war?“ Das Eichhörnchen springt vom Baum und beginnt am Fliegenpilz zu scharren.
„Das wäre ein schlechter Platz“, sagst du. „Denn der Fliegenpilz ist im Winter gar nicht mehr da.“
„Stimmt“, sagt das Eichhörnchen. „So dumm bin ich nicht gewesen, als ich die Nüsse verscharrt hab. – Oder doch?“ Tim schaut euch mit großen Augen an.
„Du musst mehr Acht geben, was du tust“, schnurrt Mieze.
„Du musst dich besser konzentrieren“, sagst du.
„Kon-zen-trie-ren“, sagt Tim langsam und betont. „So etwas gibt es hier nicht.“
„Dann findest du deine Nüsse nie“, schnurrt Mieze.
„Was kann ich denn tun, um mich besser zu kon-zen-trie-ren?“, fragt Tim. „Soll ich dazu auf einen Baum klettern?“
„Das reicht nicht“, schnurrt Mieze.
„Soll ich dazu einen Purzelbaum schlagen?“, fragt Tim.
„Das reicht nicht“, schnurrt Mieze.
„Soll ich dazu ein Loch bis zur Rückseite der Welt graben?“
„Das reicht nicht.“ Mieze gähnt laut.
„Das ist aber weit“, sagt Tim und blinzelt.
„Es reicht trotzdem nicht, ganz gleich wie weit es ist“, schnurrt Mieze.
„Es ist viel einfacher“, sagst du. „Schließ kurz deine Augen, achte darauf, wie dein Atem ruhig ein- und ausströmt. Und dann sag dir tief in dich hinein:
,Konzentriert geht’s wie geschmiert‘.“
Das Eichhörnchen schließt die Augen. Es achtet auf seinen Atem. Du meinst fast zu sehen, wie es ruhiger wird. Was flüstert es da? ,Kon-zen-triert geht’s wie geschmiert‘, meinst du leise zu hören. Dann öffnet Tim wieder die Augen und strahlt euch an.
„Hat es geklappt?“, fragst du.
„Ja, ich bin jetzt ruhiger.“
„Und wo sind die Nüsse?“, fragt Mieze.
„Ach so“, sagt das Eichhörnchen und schließt noch einmal die Augen. „Hier“, sagt es, als es sie wieder öffnet. Es springt zum Baumstamm. Wo eine große Wurzel ein Stück heraussteht, beginnt es zu buddeln. „Die ist noch da“, ruft es, hebt eine Nuss hoch und strahlt euch an.
Tim führt euch durch seinen Wald. Das Eichhörnchen zeigt euch die Brombeerhecken, den Bach, das Felsenmeer. Ihr lernt die besten Plätze für Pilze kennen. Und Mieze zeigt Tim ein paar wundervoll duftende Mäuselöcher.
Schließlich verabschiedet ihr euch und geht zur Wolkentreppe zurück.
Du steigst mit Mieze zum Wolkenschloss, Stufe um Stufe. Mit jeder Stufe merkst du, wie du ruhiger wirst.
Im Wolkenschloss angekommen, legt ihr euch auf das große blaue Sofa. Du schließt deine Augen.
Da liegst du – ganz ruhig. Kannst du die Ruhe in dir spüren? Die Ruhe ist überall in dir. – Kannst du spüren, wie schwer du bist? Dein ganzer Körper ist schwer, angenehm schwer. – Kannst du spüren, wie warm du bist? Die Wärme strömt durch deinen ganzen Körper. Du bist warm, angenehm warm. – Dein Atem geht ein und aus, ein und aus, ganz ruhig und gleichmäßig, ganz von allein. – Du bist ruhig, schwer und warm – ruhig, schwer und warm. – So liegst du ein Weilchen und ruhst dich aus. Du ruhst dich aus und spürst die neue Kraft tief in dir wachsen.
Damit kommt die Geschichte langsam zum Ende. Wenn du bereit bist, reckst und streckst du dich und öffnest die Augen.
Aus dem Buch: Volker Friebel (2019): Entspannungsgeschichten vom Wolkenschloss. Edition Blaue Felder, Tübingen.
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